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Invisible Mending oder die unendliche Geschichte einer Jacke mit Karomuster

Hallo zusammen, ein frohes neues Jahr wünsche ich Euch!

Mein Vorsatz fürs neue Jahr ist weiterhin, weniger perfektionistisch zu sein (was nicht weniger sorgfältig bedeuten soll!), und dafür mehr den Prozess zu schätzen. Und auch, Fehler als Chance zum Lernen zu begreifen. Dazu kann ich gleich mal eine kleine Episode aus meinem Studio (aka Nähzimmer) erzählen.

  

Tja, manchmal ist eben der Wurm drin, aber sowas von. Vor einigen Wochen habe ich über die langsam in Vergessenheit geratende Kunst des Kunststopfens nachgedacht. Dabei handelt es sich um das unsichtbare Stopfen von Löchern, meist bei edlen Kleidungsstücken wie einem Sakko, oder in Japan bei Kimonos. Momentan ist ja eher Visible Mending populär, also das bewusst auffällige Ausbessern. Ich finde visible mending auch gut, besonders bei heißgeliebten und viel getragenen Kleidungsstücken, bei denen auch schon andere Gebrauchsspuren sieht. Aber so kunstvoll zu stopfen, dass man nichts, aber auch gar nichts sieht, das ist schon faszinierend. Schon länger wollte ich wissen, wie das geht.

 

Wie dem auch sei,  ihr ahnt es vielleicht: Man soll aufpassen, was man sich wünscht, es könnte in Erfüllung gehen. Ich arbeite seit längerer Zeit an einer karierten Jacke + Hose. Die Jacke hatte ich schon vor einigen Jahren zugeschnitten, die Teile versäubert, und dann in eine Kiste gepackt. Da ich mir vorgenommen habe, für jedes angefangene Teil ein Ufo fertig zu stellen, kam jetzt also die Jacke dran.

 

Und da ging so richtig alles schief, was nur schief gehen konnte. Ich hatte die Jacke zugeschnitten, als ich noch weniger Erfahrung hatte. Ich hatte die Teile nicht spiegelsymmetrisch zugeschnitten, und leider waren manche Teile auch nicht ganz genau im Strich, was ich an den Kanten auszugleichen versuchte. Gleichzeitig wollte ich auch, dass das Karomuster übereinstimmte. Es war wirklich zum Mäusemelken, entweder stimmte das Karo, aber nicht die Naht, oder anders herum. Soviel Nähgarn habe ich zuletzt nie auf ein Projekt verplempert. Zuletzt habe ich genervt alles ganz genau geheftet und genäht, und sogar auch da nochmal korrigiert.

 

(Ich schwöre hiermit hoch- und heilig, künftig mehr zu heften, zumindest bei Mustern).

 

Als ich dann nach Stunden und Tagen fast fertig war (auch mit den Nerven), war die Nahtzugabe am Beleg vorne viel zu breit (wegen der Korrekturen), was sich unschön abzeichnete. Anstelle nun aber die Schere zu nehmen und dann den Zickzackstich der Nähmaschine, dachte ich, dass es eine super Idee sei, abends "mal schnell noch" die Nahtzugaben mit der Overlock abzusäbeln. Ich traue es mich fast nicht, hier zu schreiben, aber ich habe dabei -Kreisch- ein nicht zu verachtendes Loch in den vorderen inneren Beleg gesäbelt, recht nah an der Kante und sichtbar, wenn die Jacke offensteht.

 

Da ich parallel die Hose schon angefangen hatte, war auch kein Stoff mehr da für einen neuen Beleg. Tja, was soll man dazu sagen, aus Schaden wird man klug, und wer langsam reitet, kommt weiter, und Gut Ding will eben Weile haben. Da würden mir jetzt noch x weitere Sprichwörter dazu einfallen….

So. Schöne Sch… ! Na gut, es blieb mir nur wegwerfen oder Ausbessern übrig, und da ich nicht leicht klein bei gebe, musste ich also Ausbessern. Leider findet man zu Kunststopfen nicht wirklich viel Informationen im Netz, unter dem Begriff "invisible mending" schon mehr. Es gibt wohl zwei Methoden:

Die Stelle mit Fäden des Stoffes rekonstruieren (also von Hand mit einer Nadel weben, wobei man das Muster nachbauen muss), oder

einen Flicken aus dem gleichen Stoff einweben. Dazu franst man die Kanten des Flickens aus und zieht die Fäden an der passenden Stelle in de Stoff. Die Enden bleiben auf der linken Seite hängen.

 

Genäht wird in beiden Fällen nicht. Die erste Methode eignet sich eher für dickere oder mittelschwere Stoffe, sonst wird man beim Weben komplett verrückt und bräuchte außerdem eine Lupe. Die 2. Methode eignet sich eher für dünnere Stoffe, da hinterher an einigen Stellen der Stoff doppelt liegt.

 

Obwohl das Karomuster recht kompliziert war, entschied ich mich fürs Weben. Ich habe die Ränder des Lochs mit etwas Textilkleber gesichert, da mein Stoff sehr schnell ausfranste. Lose Fäden habe ich etwas zurückgeschnitten, sonst kommt man beim Weben durcheinander. Dann muss man sich die passenden Fäden aus einem Stoffrest ziehen, dabei unbedingt auf Kette und Schuss achten! In meinem Fall war das einfach, da sich die Farben unterschieden.

 

 

Dann zieht man zunächst die Schuß-Fäden  (also die waagerechten Fäden) mit den passenden Fäden ein. Ich habe die Nadel von oben eingestochen und die Fäden erst mal obenauf liegen gelassen, um die Farben und Reihenfolge besser kontrollieren zu können.

Anschließend webt man die Kettfäden ein. Dazu muss man natürlich zuerst das Muster an genau der gleichen Stelle studieren.

 

Das einfachste Webmuster geht so:

  • "über einen Faden- unter einen Faden"
  • in der nächsten Reihe "unter einen Faden- über einen Faden" 

In meinem Fall war das Muster allerdings:

  • "über zwei Fäden- unter zwei Fäden"
  • und in der nächsten Reihe dann um einen Faden versetzt. 

Anschließend alle Fäden auf die linke Seite ziehen und bei Bedarf etwas kürzen (nicht zu kurz!).

Voila! Hat recht lange gedauert, aber ich finde das Ergebnis für den ersten Versuch ganz passabel. So sieht das ganze aus, nachdem ich es angefeuchtet und gebügelt habe.

 

Da es sich in meinem Fall um den Beleg handelt, habe ich das Ganze dann auf der Rückseite nochmal mit Bügelvlies bebügelt, das hat das Ganze noch zusätzlich fixiert.

Man erkennt die Stelle zwar, wenn man sucht, aber wenn ich Glück habe, kommt dort irgendwo ein Knopfloch hin :-)

 

 

(Ich schwöre außerdem hoch- und heilig, fortan ein Reststück von ca. 15 x 15 cm zu jedem Projekt aufzuheben).

 

 

In diesem Sinne,

 

 

Eure Sophie

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