Heute gibts mal wieder einen (nachträglichen) Reisebericht. Wie so viele haben auch wir die Feiertage im Juni genutzt, um in den Urlaub zu fahren. Normalerweise fahren wir außerhalb der Ferienzeit, aber diesmal gab es einen konkreten Anlass, warum wir früher gefahren sind.
Vor einiger Zeit habe ich mir die tolle Ausstellung "Die Normannen" im REM Mannheim angesehen. Dort wurde eine kleine Replik des Wandteppichs von Bayeux gezeigt. Jemand hat den Teppich (für die Ausstellung?) tatsächlich nachgestickt, Wahnsinn. Auch wenn die Replik viel kleiner als das Original war, so fand ich den Einsatz dennoch bemerkenswert. Das Original hängt in seiner ganzen Pracht von 70 m Länge (!!) in Bayeux, in der Normandie.
Dargestellt ist die Eroberung Englands durch die Normannen im Jahr 1066, und zwar durch Wilhelm der Bastard, der später dann, nach der siegesreichen Schlacht von Hastings, Wilhelm der Eroberer genannt wurde. Neben den kriegerischen Szenen werden an den Rändern auch andere Szenen dargestellt, teilweise lustig und obszön. Sehr sehr witzig, der/die KünstlerIn hatte definitiv Humor.
Dass ich mir den Teppich mal im Original ansehen wollte, war klar. Leider ist es so, dass der Teppich unter der vertikalen Aufhängung leidet. Deswegen wir ab September diesen Jahres das Museum dicht gemacht, um ein neues zu bauen, inklusive eines 70 Meter langen Tischs. Jahrelang warten wollten wir nicht, also sind wir kurzerhand im Juni zuerst nach Paris gefahren, wo es ebenfalls zwei interessante Ausstellungen zu sehen gab, und dann weiter nach Bayeux.

Paris
Hach, Paris! Paris stand eigentlich bisher nicht so weit oben auf meiner Bucket list, und das obwohl es ja von uns wirklich nicht weit weg ist. Es werden aber aktuell zwei tolle Ausstellungen gezeigt, so dass klar war, dass wir einen Zwischenstopp einlegen werden. Und was soll ich sagen, es ist wirklich eine schöne Stadt, und auch wider Erwarten gar nicht so extrem touristisch, jedenfalls nicht so, dass man sich in einem Museum wähnt. Allerdings waren wir auch nicht auf dem Montmartre (den wollen wir uns für den Winter aufheben), dort wird ja momentan auch gegen die Touri-Massen protestiert.
An der verkehrsberuhigten Seine entlang zu spazieren war trotz der Hitze wunderbar. Den Eiffelturm haben wir uns natürlich nicht entgehen lassen, wenn auch nur von unten/außen (er war dann wegen der Hitze sowieso gesperrt).
Wie immer halte ich Ausschau nach interessanter Street Art. Das macht mir immer Spaß, ist wie eine Schnitzeljagt, und man findet immer irgendwas Interessantes.
Mir gefallen diese Papier-Graffitis ausgesprochen gut, ich mag aber auch Pixel-Art sehr. Das lässt sich auch gut als (Perlen-)Stickerei umsetzen.
Das Louvre: Die Ausstellung "Louvre Couture"
Wir haben uns zuerst Louvre Couture angesehen, eine Ausstellungen von Designstücken, eingebettet in die ständige Ausstellung. Böse Zungen könnten nun behaupten, das würden Museen nur machen, um Besucher mal wieder in die angestaubten Räume zu bekommen. Ich fand es jedoch enorm gelungen. Nicht nur hat es einfach Spaß gemacht, auf Schatzsuche zwischen all den anderen beeindruckenden Stücken zu gehen. Man hat dadurch auch ganz klar die Referenzen zu vergangenen Epochen/Stilen erkennen können, auf die sich der Designer bezogen hat. Manchmal war dadurch das Stück wirklich gut getarnt :-) Zum Beispiel gab es das von mittelalterlicher Tapestry inspirierte Bambi-Kleid Modell von Castelbajac zu sehen, der selbst sehr vom Teppich von Bayeux fasziniert war. Fotos von der Ausstellung könnt Ihr hier im Artikel der Vogue sehen.
Übrigens: Ich würde Euch wirklich gerne Bilder dieser Ausstellungen zeigen, dies ist jedoch aufgrund des Urheberrechts problematisch, und deswegen lasse ich das. Ich bemühe mich aber immer, Links zu den Museen einzustellen, diese veröffentlichen ja in der Regel auch Bilder, die vermutlich auch professioneller sind als meine :-)
Die Mona Lisa haben wir uns übrigens gespart, zu viel, zu heiß, zu viel Andrang. Wie sagte eine junge Besucherin, die im Museum fleißig fotografierte, so schön: " Ich brauch jetzt nur noch ein Foto von der Mona Lisa, dann können wir gehen" ;-)
Außerdem hatten wir sie eh schon gesehen, z.B. hier: :-)
Die Foundation Louis Vuitton: David Hockney Retrospektive
Wir haben uns lieber noch die David-Hockney-Retrospektive in der Foundation Louis Vuitton angesehen. Schon die Lage des Museums ist beeindruckend, denn es liegt in dem riesigen Stadtpark von Paris. Wenn man wie wir mit der U-Bahn anreist, dann kann man einen schönen Spaziergang durch den Wald machen. Sehr angenehm bei den Temperaturen im Juni. Und plötzlich steht man vor dem Museum, ein irrer Kontrast. Eine tolle Ausstellung, ich habe ja hier schon mal kurz drüber gesprochen. Wer es noch schafft: Die Ausstellung läuft noch bis Ende August.
Bayeux
Von Bayeux und der Normandie bin ich wirklich überrascht gewesen, denn ich hatte es mir irgendwie rauer vorgestellt. Warum, weiß ich gar nicht so genau, vielleicht wegen den kriegerischen Normannen, oder den schroffen Küsten der Bretagne... Die Landschaft war überraschend lieblich, allerdings hatten wir auch Glück mit dem Wetter. Auch Bayeux selbst ist sehr hübsch und malerisch, und die Leute dort ausgesprochen nett. Wir waren froh, das heiße Paris zu verlassen und an die deutlich frischere Küste zu kommen.
Es gibt ein sehr gutes Radnetz, und so haben wir dann auch die Umgebung per Rad erkundet. Frankreich baut mittlerweile auch wieder Flachs an, was in der Normandie eine lange Tradition hat. Schön, die blauen Blüten, auch wenn die Blütezeit an den meisten Stellen vorbei war. Etwas früher im Jahr muss das ein toller Anblick sein. Aber auch nach der Ernte ist das sehenswert: Die Pflanzen werden nämlich zum Trocknen auf die Felder gelegt, und je nach Richtung und Sonneneinstrahlung ergibt das ein tollen Streifen-Muster, wunderschön und leider nicht so gut mit der Handy-Kamera einzufangen.
Der Teppich von Bayeux
Nun zu dem berühmten Teppich: Bezüglich der Technik und Verarbeitung finde ich zwei Dinge bemerkenswert:
Der sogenannte Bayeux-Stich, der verwendet wurde, heißt wohl erst seit Kurzem so. Bei Therese de Dillmont "Enzyklopädie der Handarbeitstechniken" heißt der Stich schlicht "Orientalischer Stich". Hier könnt Ihr sehen, wie das geht. Das Ergebnis ist wunderschön, es sieht fast wie gewebt aus. Allerdings ist es nicht sehr stabil, da die Fäden teilweise über eine längere Strecke nur lose obenauf liegen.
Es gibt daher auch wenig vergleichbare Textilien aus dieser Zeit. Der Teppich wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts daher bereits einmal restauriert, wofür synthetisch gefärbte Garne verwendet wurden. Diese sind heute stärker ausgeblichen als die Originalfäden, welche mit Pflanzen gefärbt wurden! Das hat Forschern lange ein Rätsel aufgegeben, wie z.B. Fragmente alter Perserteppichen immer noch so viel Farbe enthalten konnten... Ich habe ja mittlerweile auch ein paar mini-Ausflüge in das Reich der Pflanzenfarben unternommen, und immer wieder war die Rede davon, das viele Pflanzenfarben eben nicht wirklich haltbar sind. Wenn diese schon nach ein paar Monaten/Jahren verbleichen, wie kann es dann sein, dass ein Jahrhunderte alter Teppich noch Farbe hat? Das hat mich nicht locker gelassen, aber dazu ein Andermal mehr.
Neben dem berühmten Teppich gibt es in Bayeux aber noch weitere textile Kostbarkeiten zu bewundern: Spitze! Caen und Bayeux selbst waren einst Zentren für die Herstellung von Bayeux-Spitze, unter anderem von Chantilly-Spitze. Im Stadtmuseum können viele Stücke bewundert werden, auch die dazugehörigen Klöppelbriefe. Das klingt so klein, Brief, aber die Rollen mit den Mustern sind enorm groß. Ich kann mir noch vor meinem geistigen Auge noch vorstellen, wie man Spitzenbäder klöppelt, oder vielleicht kleinere Motive. Aber diese großen Stücke von Spitze, die z.B. zu Kleidern verarbeitet wurden, das übersteigt wirklich mein Vorstellungsvermögen.
Es gibt auch eine Werkstadt, in der man das Handwerk lernen kann, allerdings richtet sich der Kurs nur an dort lebende Personen, es dauert vermutlich einfach zu lang.
Die Umgebung: Arromanches-Les-Bains, Port-En-Bessin und Omaha Beach
Man kann bis zur Küste radeln, meist auf Radwegen oder ruhigen Feldwegen, das ist zwar sportlich, aber wer es gemütlicher will, kann sich auch E-Bikes leihen (das sollte man dann aber frühzeitig planen, wir haben nur noch normale Räder bekommen). Die Räder waren topp ausgerüstet, mit Tasche, Reparaturset, und Fahrradhelm. Das linke Bild ist aus versehen entstanden, wahrscheinlich diskutieren wir gerade über die Richtung, aber ich finde, es hat was :-)
Wir waren zufällig genau dort, als sich die Landung der Alliierten zum 81ten mal jährten. Überall Fahnen mit den Namen und Fotos von gefallenen Soldaten. Es war beklemmend und hoffnungsvoll zugleich, denn vor Ort habe ich erst so richtig verstanden, was für ein waghalsiges Unternehmen das Ganze war, und was für ein unsägliches Glück es ist, dass es geklappt hat... Weil es keinen Hafen gab, der genutzt werden konnte, hat Churchill kurzerhand veranlasst, einen schwimmenden Hafen bauen zu lassen, und das innerhalb von wenigen Tagen, direkt unter der Nase der deutschen Armee. Das hat mich mit unendlicher Dankbarkeit erfüllt, und lässt mich an den Krieg in der Ukraine denken... Unten rechts sieht man so einen Träger, über den Panzer, Krankenwagen, Lastwagen etc an Land gebracht wurden.
So ihr Lieben, das war jetzt aber ein langer Beitrag. Es war aber auch eine tolle Reise, und es wird sicher nicht das letzte Mal sein, dass wir die Region besuchen. Wobei, das sagen wir immer, und dann entdecken wir was neues Spannendes.
Mittlerweile habe ich auch erfahre, dass der Teppich von Bayeux während der Baumaßnahmen nicht eingelagert wird, sondern an England verliehen wird. Da würde ich ja auch gerne mal wieder hin, schon wegen der Stoffe und der dortigen Schneider-Kunst...
Viele Grüße,
Eure Anne Sophie

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