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Ausprobiert: Occhi-Technik und wofür man sie so gebrauchen kann

Kennt Ihr die Occhi-Technik? Heute ist der internationale Tag des Occhi, nein, kein Aprilscherz, das ist wirklich so, wer auch immer sich das ausgedacht hat. Man braucht lediglich ein Schiffchen, Garn, und eine Häkelnadel dafür. Mit dieser Technik wurden traditionell  kleine Spitzenbänder und -Einsätze hergestellt, z.B. für Taschentücher, Bettwäsche und dergleichen. Auch Spitzenkragen und -Jabots wurden so gefertigt. Das ist ja nun nicht so mein Ding, aber Ich muss ja immer alles mal ausprobieren, auch wenn ich dann doch meistens bei meinen "Stammtechniken" Nähen und Stricken bleibe.  Abgesehen davon liegt es mir nicht, wenn etwas nur rein dekorativ ist, zumindest was mein Zuhause betrifft. Und auch Schmuck, Tücher und anderes schmückendes Beiwerk lasse ich oft, wenn auch nicht immer, weg.  Die rein dekorativen Kragen, die ich neulich gemacht habe, haben mir zwar erstaunlich viel Spaß gemacht. Aber sonst sind Gebrauchsgegenstände eher mein Ding. Schön ist es, wenn ich dann Ideen bekomme, wie beides, das Nützliche und das Schöne, zusammenkommen könnte, so wie neulich geschehen.  

 

Das Schiffchen für Frivolitäten oder Occhi-Spitze hatte ich schon eine ganze Weile herumliegen, nachdem der erste Versuch total gescheitert war. Jetzt frage ich mich im Nachhinein, warum ich damit solche Schwierigkeiten hatte, denn wer schon Knüpfen kann, der versteht das Prinzip recht schnell. Der Teufel steckt aber natürlich im Detail, dem richtigen Garn, und in der sauberen Ausführung.

 

Hier seht Ihr zwei neue Schiffchen, eins aus aus Kunststoff, eins aus Metall mit integrierter Häkelnadel. Ich finde das aus Metall für Anfänger nicht so geeignet, da es flutschiger ist, der Haken am Anfang stört, und auch nicht so viel Garn auf die Spule passt. Dafür ist es unterwegs sehr praktisch, da man keine Häkel-nadel braucht. Früher trugen die Damen eine kleine Häkelnadel an einer Kette am Finger, wie hier zu sehen (antik). Wahnsinn, wie dünn die Häkchen sind! Ich frage mich, was für Garn da verwendet wurde. Ich dachte zunächst, dass der Haken abgebrochen sei, so genau muss man hinschauen. 

 Ich erkläre die Technik an dieser Stelle nicht im Detail, ich stelle aber demnächst mal ein Tutorial ein. In aller Kürze: Es handelt sich im Prinzip um Makramee/Knüpfen in Runden, nur eben mit einem dünnen Faden und einem Schiffchen, auf dem Faden aufgewickelt wurde. Anders als bei klassischen Makramee hat man keine langen, losen Fäden, auf denen geknüpft wird, sondern man knüpft "auf sich selbst", nachdem der Faden zu einer Schlinge gelegt wurde.  Anders gesagt, der Trägerfaden ist gleichzeitig der Faden, mit dem geknüpft wird. Dabei ist es wichtig, dass der straffe Trägerfaden der Faden ist, der zum Schiffchen führt, während das andere Ende die Knoten bildet. Das muss so sein, damit man die fertig "umknüpfte" Schlinge dann auch zuziehen kann, indem man am Schiffchen zieht.

 

Das erreicht man dadurch, dass man, nachdem man einen lockeren Knoten geschlungen hat, leicht am Schiffchen zieht, um den Faden zu spannen, während man links locker lässt. Dann "springt" der Faden automatisch in die richtige Position. Es werden immer Doppelknoten gearbeitet.

 Ob ich damit jemals solch komplizierte Spitze herstellen werde, bezweifle ich, denn die Technik heißt nicht umsonst Frivolitäten: 

Damit haben sich die Damen der Oberschicht die Zeit vertrieben, ohne wirklich etwas produzieren zu müssen. Und da man die Hand so schön geziert dabei hält, haben sich ebenjene Damen auch gerne mit Schiffchen in der Hand porträtieren lassen. Occhi war also schon immer auch Hobby und wurde zumindest in Europa nie zum Broterwerb betrieben. Das stimmt so nicht ganz, wie ich jetzt auf englischsprachigen Websites gelesen habe: In Irland wurde wohl nach der Hungersnot neben Klöppelspitze und irischer Häkelspitze (Guipure) wohl auch Occhi-Spitze für die reichen Europäer hergestellt, unter miesen Lohnbedingungen ("cheap female labor") und oft auch von Mädchen in Weisenhäusern. 

 

Wie heißt es so schön auf Wikipedia: "Demonstrativer Müßiggang", jawoll, das klingt gut! Das ist ja fast schon subversiv :-)  Ich glaube, ich habe mein nächstes Motiv für ein Statement-T-Shirt gefunden... <-- klingt jetzt gar nicht mehr so toll, nachdem ich das mit den irischen Arbeiterinnen gelesen habe :-(

Ich finde allerdings, dass Occhi durchaus einen praktischen Nutzen haben kann. Es lassen sich damit hervorragend kleine Schlingen für Verschlüsse herstellen, z.B. für einen Schlitz am Ausschnitt. Mir gefällt weder die gehäkelte (zu locker) Variante noch die mit Knopflochstich (wird bei mir nicht ordentlich genug und wellt und verdreht sich leicht). Zumal man bei Occhi ja schon eine Schlinge hat, die man nur noch annähen muss. Diese kann man auch noch dekorativ gestalten, wenn man will.  So könnte man auch eine ganze Knopf- und Ösenreihe knüpfen, das sähe bestimmt hübsch aus.

Außerdem ist es praktisch, dass man nur so viel Faden von der Spule verwendet, wie man eben braucht. Würde ich so eine kurze Schnur knüpfen wollen, so wie seinerzeit in den 90ern mit Sicherheitsnadel an der Hose, so müsste ich viel mehr Schnur nehmen, um überhaupt arbeiten zu können.  Und müsste diese dann letztendlich abschneiden und wegwerfen. Diese hier werde ich für eine Tunika mit Schlitz am Ausschnitt verwenden. 

 

 

Und wo wir gerade von den 90ern reden: Aus der Zeit habe ich noch eine Kiste mit Perlen hier herumstehen, damals machte ich Perlenweberei und war vor ein paar Jahren fast soweit, die ganze Kiste zu verschenken. Jetzt finde ich es prima, dass ich das nicht gemacht habe, da die Kiste eine tolle Fundgrube und Inspirationsquelle ist. Und diese Ohrringe aus Perlen und Occhi finde ich wirklich schön für den Sommerurlaub: Leicht, bunt, nicht wertvoll und schnell ersetzt, falls sie verloren gehen sollten.  

Also: Für frivole Spitze dann eher doch nicht, aber für leichten Sommerschmuck sowie für Verschlüsse und Knopfschlingen eine feine Sache!

 

Liebe Grüße, 

 

Anne Sophie 

 

PS: Über Lucys Beitrag hier bin auf Beetons Book of Needlework gestoßen, vielen Dank dafür! Dort findet sich sehr viel zum Thema "Tatting", wie Occhi auf Englisch heißt. Ich sehe gerade, dass ich auf dem Foto oben das Schiffchen falsch halte, laut dem Buch soll man den Mittelfinger nehmen, sieht auch gleich noch eleganter aus :-) 

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Kommentare: 1
  • #1

    Twill & Heftstich (Samstag, 02 April 2022 09:32)

    Demonstrativer Müßiggang ist wirklich großartig! Danke fürs Zeigen, ich kannte Occhi noch gar nicht und finde die Technik für Knopfschlingen ganz zauberhaft. Denn da bin ich ganz bei Dir, reine Deko ist auch nicht meins. Da ich Oberteile mit Schlitzen und Schlüsselloch-Ausschnitten mag, werde ich das sicherlich Mal ausprobieren. Liebe Grüße Manuela
    P.S. Schön, dass ich Dein Blog über Deinen Kommentar gefunden habe.

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