Hallo Ihr Lieben,
Ich glaube, es gibt Kommentare, die jede/r, der/die näht, schon mal gehört hat.
1. Lohnt sich das denn (finanziell)?
2. Das ist aber kreativ!
Hm, kreativ finde ich Nähen nicht, abgesehen vielleicht vom Entwerfen und evtl. Verzieren. Nähen selber ist für mich vielmehr ein Handwerk, was ziemlich viel Präzision erfordert, weswegen Nähen für mich auch durchaus anstrengend sein kann. Manchmal bin ich deswegen gefühlt sehr langsam, denn ich möchte, dass meine Kleidungsstücke nicht "selbstgebastelt", sondern professionell aussehen.
Zu Punkt eins, das Finanzielle: Wenn man sich mit Fast Fashion aus Niedriglohn-Ländern vergleicht, dann lohnt es sich natürlich nicht. Allerdings habe ich auch einen anderen Qualitätsanspruch an meine Kleidung, was Material, Schnitt, Verarbeitung und Lebensdauer anbelangt. Wenn ich dann Kleidungsstücke aus dem entsprechenden Qualitäts-Segment heranziehe, kommen wir dem "lohnt sich" schon etwas näher. Ich habe aktuell außerdem das Gefühl, dass die Qualität in der letzten Zeit auch im mittel- bis höherpreisigen Segment stark abnimmt, während die Preise weiter steigen. Noch vor einiger Zeit hätte ich gesagt, dass es sich rein finanziell nicht lohnt, z.B. einen Pullover selber zu stricken, da Strickwolle auch recht teuer ist. Allerdings ist es jetzt so, dass es fast unmöglich geworden ist, einen Pullover aus reiner Wolle für unter 250 Euro zu finden. Damit nähern wir uns da wieder dem Zustand an, dass sich selber machen eben doch wieder lohnt. (Dass es vor allem Freude macht, ist natürlich auch wichtig, wenn nicht sogar wichtiger. Aber ich möchte in diesem Beitrag nur die oben genannten Frage, die sehr oft höre, beleuchten). Allerdings lügt man sich bei der Frage nach dem "lohnen" natürlich etwas in die Tasche, denn man müsste ja seine eigene Arbeitszeit auch mitrechnen.
Blöd wird es dann, wenn man etwas doch recht dringend benötigt. Ich stelle mir dann die Frage: Selber nähen oder kaufen? Manchmal würde ich ja gerne kaufen, ich habe genug Projekte in Arbeit ;-) Und Zeit ist ja bekanntlich Geld.... Meistens läuft es dann so: Dann will ich mein Geld schon mal unter die Leute bringen, weil ich eben denke, das muss doch schneller sein als selber nähen. Aber ihr kennt das bestimmt, wenn man etwas ganz dringend braucht, dann findet man es natürlich nie im Leben in den Läden. Oder zumindest nicht so, wie man es sich vorstellt. Dabei sind meine Vorstellungen jetzt nicht so anspruchsvoll, ich würde sogar soweit gehen und sie recht bescheiden zu nennen. Ich brauche ein bzw. mehrere leichte Hemden für den Sommer.
Ich habe seit langem ein Lieblingshemd, blau-grün kleinkariert, eine Art Seersucker, klassisch geschnitten. Nachdem ich es einmal zum Arbeiten auf dem Feld angezogen hatte, war es am Rücken leider verblichen. Nichts desto trotz blieb es mein Lieblingshemd zum Arbeiten, denn es war luftig und schützte vor Sonnenbrand. Ich bin sehr hellhäutig, daher sind lockere weite Hemden mit langen Ärmeln im Sommer ein Muss. Ich hatte jenes Lieblingshemd schon einmal liebevoll geflickt. Letzten Sonntag machte es dann "rrrratsch" und vorne am Armausschnitt prangte ein großes Loch neben der Naht. Nicht mehr zu retten. Ich brauche dringend Ersatz, besser noch zwei.
Meine Ansprüche sind:
- Keine Fast Fashion, ich möchte ein Kleidungsstück mit einer gewissen Qualität, damit es möglichst lange hält.
- Das Hemd soll einen Kragen und lange Ärmel haben. Keine 3/4 Ärmel, kein V-Ausschnitt, kein Stehkragen. Da fallen schon mal einige Modelle raus.
- Die Ärmel sollen weit genug sein, dass man sie aufkrempeln kann, am besten mit Manschette.
- Es darf nicht aus Viskose (zu heiß und nicht langlebig genug), Plaste (geht gar nicht, außerdem auch viiiiiel zu heiß), Popeline (zu heiß, zu knittrig, zu unbequem) oder Satin (genauso) sein. Jetzt bleibt schon nicht mehr viel übrig.
- Es soll locker, aber nicht oversized geschnitten sein. Kein Stretch. Die Auswahl wird mau.
- Preisvorstellung: 70-90 Eu. Und damit sind wir bei 0 angekommen, denn ich habe die Allerweltsgröße 36-38, da ist im Sale nichts zu holen, und regulär fangen die verfügbaren Hemden so bei 100-120 Euro an, Ärmel kürzen beim Änderungsschneider noch nicht eingerechnet.
Daher habe ich mir gedacht, dass ich eine Hemden-Challenge starte: Schaffe ich es, ein Hemd zu nähen das günstiger ist als 120 Euro, meine Arbeitszeit mit eingerechnet?
- Der Materialverbrauch liegt bei ca. 1,40 m (bei 1,50 m Breite). Bei ca. 15 Eu je Meter wären das 21 Euro. Bleiben noch 99 Euro.
- Der aktuelle Mindestlohn liegt aktuell bei 12,82 Eu je Stunde.
- Ich habe dann 7,7 = 7 Stunden 42 Minuten Zeit, das Hemd zu nähen.
Ich habe ich die nötigen Arbeitsschritte genau notiert, und versucht, sie zu bündeln, so dass ich z.B. mehrere Teile in einem Rutsch bügeln kann. Ich werde die Zeit für die einzelnen Arbeitsschritte dokumentieren und dann zusammenrechnen. Die Schnittentwicklung habe ich nicht mit eingerechnet, denn das macht man nur einmal, und in der Konfektionsschneiderei wird der Schnitt ja auch nicht für jedes Modell neu entwickelt, sondern nur abgewandelt.
Das muss nicht alles an einem Tag passieren, Ziel ist, am Ende insgesamt unter 7 Stunden 42 Min Arbeitszeit zu kommen. Bisher fürchte ich, dass ich das nicht schaffen werde, spätestens wenn die Knopflöcher und Knöpfe anstehen. Ich könnte die Knöpfe ja mit der Maschine annähen, aber ich hab mich ja schon oft geärgert (auch bei höherpreisigen Waren!), wenn 2 Wochen nach Kauf die Knöpfe anfingen abzufallen...
Aber wir werden sehen, die Wette gegen mich selbst gilt! Schreibt mir gerne in die Kommentare, ob ihr glaubt, dass ich das schaffe oder eben nicht :-)
Viele Grüße, Eure Anne Sophie
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Twill & Heftstich (Dienstag, 03 Juni 2025 16:06)
Spannende Challenge! Bisher habe ich mir das immer schön gerechnet bzw. wohl eher geredet, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis beim Selbermachen einfach besser ist und da Nähen auch meiner Psychohygiene dient, meine Arbeitszeit großzügig aus der Gleichung gestrichen… Ich drücke dir auf jeden Fall die Daumen. Liebe Grüße Manuela