Die Farbe blau...., oder eben auch Rosa
Huch, ist schon wieder ein Monat rum! Der Mai ist ein sehr geschäftiger Monat für uns, da dann die meisten Jungpflanzen aufs Feld raus müssen, und kaum dass man sich umgedreht hat, wächst das Unkraut wie verrückt und lacht sich ins Fäustchen.
Auch ist aus der Spielerei, die ich für das aktuelle Thema "Die Farbe Blau" bei Stoffnotizen (Danke Dir!) angefangen habe, ein ausgewachsenes Projekt geworden... Ganz fertig geworden bin ich leider nicht, aber zumindest befinde ich mich auf der Zielgeraden.
Wenn ich an blau denke, dann denke ich zuerst an Indigo, an Japan und andere Länder in denen traditionelle Kleidung of blau und mit Indigo gefärbt waren. Sashiko und Boro sieht, wie ich finde, auch deshalb so toll aus, weil oft hauptsächlich Blaue Stoffe verwertet wurden, kombiniert mit weißem Garn für die Steppstiche. Ach, und dann erst die oft blaue Keramik... so schön.
Über diesen Gedanklichen (Um-)Weg bin dann zu einem Batist gekommen, den ich mal für eine Bluse mit Blau-Schwarzen Kreisen bedruckt hatte. Die Kreise hatten mich immer irgendwie an Japanische Keramik erinnert. Die Kreise auf dem Stoff gefielen mir sehr, als Bluse dann allerdings gar nicht. Da sieht man mal wieder, dass es eben nicht nur auf das Können beim Nähen ankommt, sondern auch ums richtige Gefühl für die Kombination von Stoff, Muster und Schnitt (und TrägerIn des Kleidungsstücks).
Und weil ich schon immer Koreanische Pojagi-Technik ausprobieren wollte, habe ich sozusagen ein Fusion-Gericht gezaubert, bestehend aus:
- Der besagte bedruckte Batist
- Batist einer weiteren, zerschlissenen Bluse mit transparenten Webstreifen
Das Ganze sollte dann ein leichter Vorhang fürs Bad werden, als Sichtschutz fürs Fenster. Allerdings fand ich dann, dass der Vorhang etwas zu weiß war, mal abgesehen von den Kreisen. Ich dachte mir, dass es vielleicht hübsch aussehen würde, wenn ich Teile des Stoffs für den Pojagi zart Blau einfärben würde, passend zu den Kreisen. Blaue Tinte hab ich da. Wer erinnert sich noch an die ständig blau gefärbten Finger vom Füller in der Schule? Meiner war zum Aufziehen, das hat die Sauerei noch verstärkt, ständig hatte ich blaue Flecken auf dem Mittelfinger, die nicht abwaschbar waren. Das müsste doch vielleicht auch mit Stoff gehen, dachte ich mir.
Weil ich ja auch noch nicht genügend Projekte habe (/s), beschäftige ich mich derzeit mit der Färberei von Stoffen im allgemeinen und von Wolle im Speziellen. Dazu habe ich hier einen spannen Artikel gefunden. Das dort beschriebene Methylenblau ist eine in niedriger Dosis ungiftige Substanz, die für die u.A. Farbe in normaler Schultinte sorgt. Das ist schon mal gut. Zum Färben von Textilien wurde es auch genommen, um vergilbte weiße Stoffe durch einen leichten Blau-Schleier wieder weiß erscheinen zu lassen (der "Gilb", der immer die Gardinen angrabbelt, wer kennts noch?). Auch wird es in der Notfall(!)Medizin als Gegenmittel bei Vergiftungen mit Anilin eingesetzt. Ich habe da deshalb das Ausrufezeichen dahinter gesetzt, weil es derzeit wohl unter selbsternannten Biohackern einen Hype um Methylenblau gibt. Ich will das gar nicht weiter befeuern, nur soviel: Nur weil eine Substanz eine medizinische Wirkung FÜR DEN NOTFALL EINER VERGIFTUNG hat, heißt das nicht, dass es schlau ist, sie als gesunder Mensch täglich zu sich zu nehmen... . Aber ich schweife ab.
Zurück zum Blau: gesagt getan. Tinte in Wasser verdünnt, das Wasser wurde schon durch ein paar Tropfen tiefblau. Baumwollstoff rein, einen halben Tag stehen lassen...

und dann... (Trommelwirbel):
...
Zu meiner großen Überraschung wurde der Stoff trotz tiefblauem Färbebad ROSA!! Verrückt.
Zunächst dachte ich an den pH-Wert. Unter Zugabe von Essig wurden die Stoffe zwar Zartlila (linkes Bild, verschiedene Konzentrationen), mit Natron blieben sie aber nahezu ganz weiß (rechtes Bild). Sehr seltsam!
Da ich schrecklich anfällig für Wikipeditis bin, musste ich natürlich wissen, warum das so ist. Achtung, Chemieunterricht!
In Schultinte findet sich meist Acid Blue 22 oder eben das sehr ähnliche Acid Blue 93 (Methylenblau). Methylenblau ist ein sogenannter Redoxindikator. Das bedeutet, das durch Farbwechsel angezeigt werden kann wenn ein Stoff reduziert und ein anderer oxidiert wird. Wenn Methylenblau in der reduzierten Form vorliegt, dann ist es farblos, wird es oxidiert, dann färbt sich die Lösung blau. Und dann fiel bei mir der Groschen, denn diejenigen unter uns, die in der Schule noch mit Tinte und Füller geschrieben haben, die erinnern sich auch an den Tintenkiller. Und auch, dass dieser nach einer Weile nicht mehr gut funktioniert hat, weil die Lösung alle war oder eingetrocknet. Ich habe ihn dann immer noch eine Weile mit Wasser befeuchtet, da ich den Schulkram selber zahlen musste und ich zu geizig war ;-) So verdünnt hinterließ das dann eine rosa Schrift.
Ich gehe davon aus, dass ich folgendes fabriziert habe: Wir haben hier sehr hartes Wasser. Kalk liegt in der Regel gelöst als Calciumhydrogencarbonat Ca(HCO3)2 vor. Und siehe da, Carbonate sind echte Killer, also Tintenkiller! Wenn man nun Essig hinzufügt, dann reagiert die Essigsäure mit Kalk zu wasserlöslichem Calciumacetat und Kohlensäure, die dann wiederum zu Wasser und Kohlenstoffdioxid zerfällt. Damit kann der Farbstoff wieder oxidiert werden und färbt blau.
Unter Zugabe von richtig viel Essig habe ich dann auch eine blaue Färbung hinbekommen.
Wolle nahm die Farbe überhaupt erst bei Anwesenheit von sehr sehr viel Essig an, allerdings war die Wolle auch ungebeizt.

Aber ich muss sagen, dass mir das Altrosa von allen Schattierungen am besten gefällt. Auch wenn es heute hier ums Thema Blau geht, so habe ich die rosa Stückchen dennoch eingeschmuggelt ;-) Die vertikalen Kappnähte fehlen noch, und rechts fehlt auch noch ein Streifen, das mache ich später noch. Da heute aber so ein trüber Tag ist, musste ich schon fotografieren, sonst wäre es zu dunkel geworden.
Ich habe ganz traditionell alle Kappnähte von Hand genäht. Ein Fingerhut ist dafür ein Muss, bei der Menge an Nähten. Wer es vorher noch nicht war, ist danach ein geübter Handstich-Näher.
Euch noch ein schönes Wochenende, das Wetter ist hier nicht so doll, aber die Pflanzen freuts, der Regen war überfällig. Dann bleibe ich halt zuhause und werkele, ein paar Nähte muss ich ja schließlich noch...
Eure Anne Sophie
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Stoffnotizen (Sonntag, 25 Mai 2025 19:02)
Wow, Tintenchemie, interessant. Hast Du die Waschfestigkeit auch getestet? Der blau bedruckte Batist als handgenähtes Pojagi wirkt schön luftig leicht - eine gute Wahl für einen Fenstervorhang, finde ich. Liebe Grüße!
Regula (Sonntag, 25 Mai 2025 20:17)
Der Vorhang vor dem Fenster sieht sehr schön aus, weil das Licht durchscheint. Ja, der rosa Stoff ist hübsch, auf keinen Fall hättest du darauf verzichten sollen. An blaue Finger erinnere ich mich auch lebhaft. Und wenn ich meinen finger grad so anschaue, hatte ich da früher, als ich noch viel von Hand geschrieben habe, immer einen blauen Hubbel. Der hat sich tatsächlich zurückgebildet. :-)
Liebe Grüsse von Regula
Elvira (Sonntag, 25 Mai 2025 21:44)
Oh ja, das Tintenblau! Mein Mann schreibt mit Füller und füllt die Tinte selbst auf. Schon der kleinste Punkt, den er am Waschbecken übersieht, verrät ihn am Abend. Wie toll, dass man damit auch färben kann. Wieder was gelernt. Du hast deinen Pojagi von Hand genäht? Respekt! Wenn man darauf achtet, dass man keine 4er Kreuzung, sondern lieber T- Kreuzungen produziert, geht es eigentlich ganz gut mit den Kappnähten. Sonst ist es mühsam für die Finger. Toll wird dein Vorhang allemal, ob blau oder rosa. Liebe Grüße, Elvira
Gabi - langer-faden (Sonntag, 25 Mai 2025 22:18)
Dein Vorhang sieht so wunderschön luftig und leicht aus, so eine feine Arbeit. Die rosa Stoffteile passen gut dazwischen. Das man mit der normaler Füllertinte Stoffe blau färben kann hätte ich nicht gedacht. Als Schüler haben wir weiße Schleifenblumen in die Patronen gestellt, die dann allmählich blau wurden. Tintenkiller mochte ich nie, die Schrift kam meist doch wieder in zartrosa raus, da konnte ja jeder alle meine Fehler lesen. LG Gabi
3he fecit (Montag, 26 Mai 2025 01:15)
Wieder was gelernt. Danke dass du die chemischen Vorgänge auch gleich gut erklärst. Dass man mit 08/15 Tintenpatronen färben kann, auf die Idee wäre ich nicht gekommen,
Der Pojagi-Vorhang ist dann noch das sprichwörtliche Tüpfelchen.
Liebe Grüße, heike
feuerwerkbykaze (Montag, 26 Mai 2025 14:22)
Das wird sehr schön, ich liebe Pojagi. Respekt, dass du es von Hand gemacht hast, ich habe meine kleine Gardine per Maschine gemacht. Bei Selbstfärbeaktionen kann man viel lernen. Beim Tintenmachen waren wir dann auch schnell bei Essig, Salz und Natron. Man muß da echt Buch führen, wenn an es wiederholen möchte.
So wie es jetzt ist, ist es sehr anmutig, würde mir auch mit nur Quernähten gefallen.
Viele Grüße, Karen
123-Nadelei (Montag, 26 Mai 2025 19:37)
Ein interessantes Experiment wenn auch Chemie nicht mein Lieblingsthema ist.
Dein Experiment fand ich sehr inspirierend denn ich erinnere mich an ein Restlager mit Tintenpatronen die ich auf Stoff sprengen könnte. Vielleicht mache ich erst mal einen Waschtest nach 1 Patrone. Essig verwende ich meistens als Fixierhilfe.
Auch ich erinnere mich, dass "früher" Tinte ins Gardinenwaschwasser gegeben wurde.
Respekt für Deinen handgenähten Pojagi-Vorhang, gefällt mir.
LG Ute
merlecolibri (Montag, 26 Mai 2025 20:02)
dein experiment mit blauer tinte ist sehr kompliziert * aber gut dass du damit zurechtkommst und sogar wunderschöne gardinen gezaubert hast !
liebe gruesse
mo
Anne Sophie (Montag, 26 Mai 2025 20:10)
Noch ein Hinweis, falls es jemand nachmachen will: Ich habe schwarzblaue Tinte von Faber Castell verwendet, nicht die klassische königsblaue von Pelikan. Die Tinte von Pelikan enthält m.W.n. Kristallviolett als Farbstoff, welches nicht waschecht ist (siehe Link oben in meinem Text). So genau kann man das aber nicht wissen, da die Hersteller ihre Rezeptur natürlich nicht angeben. Ich habe die Stoffe gewaschen, sogar mehrfach, aber da ich ja nur den Vorhang und keine Kleidung einfärben wollte, war das keine Prio 1. Bin aber mal gespannt, wie lichtecht das Ganze ist.
Martina Koukouvagia (Dienstag, 27 Mai 2025 13:06)
Hallo AnneSophie,
das ist ja eine witzige Idee, mit Tintenpatronen zu färben! Ich hätte allerdings auch Bedenken bzgl. Waschfestigkeit bzw. Lichtbeständigkeit. Andererseits hält sich bei uns ein Tintenfleck in der Bettwäsche schon seit einigen Jahren...........
Die teilweise sehr verblüffenden Ergebnisse beim Färben kenne ich auch, ich hab's mal mit Färberwaid versucht. Schön, dass dein Forscherdrang und deine Geduld belohnt wurden und du doch noch zu dem erwarteten Ergebnis gekommen bist. Bei mir war's eher umgekehrt, trotz aller Akribie ist statt dem erhofften leuchtenden Blau ein Farbton zwischen gedecktem Lila und Grau rausgekommen..... Ich hab's dann aufgegeben.
Deine Kombination der verschiedenen Stoffe und Farben passt sehr schön zusammen. Einen ganzen Vorhang von Hand zu nähen, finde ich ja unfasslich, Hut ab!
Liebe Grüße, Martina
Bärbl Burger (Mittwoch, 28 Mai 2025 21:17)
Dein Vorhang ist wunderschön geworden, die Kombination von Farben, Formen und Linien ist unglaublich! Ich hätte nicht gedacht, dass Färben mit Tinte so gut funktioniert! Danke für die detaillierte Beschreibung! Liebe Grüße, Bärbl
Siebensachen (Freitag, 30 Mai 2025 10:26)
Du bist tief eingetaucht in das Färben mit Tinte (Ich habe zwar schon viel gefärbt, aber noch nie mit Tinte. Danke für den Einblick.) Deinen Vorhang finde ich ganz zauberhaft. Die Pojagi-Technik ist toll, man braucht Geduld, aber das Ergebnis entschädigt.
LG
Beate