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Alte Nähmaschinen: Lieber reparieren als austauschen!

Dieser Artikel enthält unbeauftragte Werbung durch Markennennung. Die hier beschriebene Maschine habe ich gebraucht gekauft und selber bezahlt.

 

Eigentlich wollte ich heute eine Fortsetzung meines letzten Artikels zum Thema Schnittmuster abwandeln, um Reststücke verarbeiten zu können, veröffentlichen. Leider macht mir momentan die mangelnde Zeit einen Strich durch die Rechnung, bei der Hitze braucht mein Pachtacker viel Pflege.

Deswegen zeige ich Euch heute erst mal eine weitere Vintage-Nähmaschine, die ich kürzlich repariert habe. Das ist ein weiterer Punkt, der mir zum Thema Nachhaltigkeit am Herzen liegt: Ich wünschte, dass endlich ein Gesetz käme, dass das Recht auf Reparatur verankert; und der absichtlichen Produktion von minderwertigen Waren, damit der Kunde baldigst ein neues Modell kauft, ein Ende setzt. Der Kurzwarenhändler meines Vertrauens hier vor Ort, der auch eine Werkstatt betreibt, sagte mir, dass ab den 60ern die Haushaltsmaschinen immer schlechter wurden, was natürlich auch daran lag, dass immer mehr RTW-Kleidung verfügbar wurde. Auch wurde die Konkurrenz unter den Nähmaschinen-Herstellern immer größer. Das drückte den Preis. Hat man in den 1940ern noch Maschinen auf Raten gekauft, weil sie mehrere Monatsgehälter gekostet haben, kann man jetzt schon Maschinen für 200 Euro kaufen! Natürlich gibt es heute immer noch Qualitätsmaschinen, und die haben dann auch ihren Preis. Das kann und möchte aber vielleicht nicht jeder ausgeben, gerade, wenn man erst anfängt.

 

Aber ganz abgesehen vom Preis beschäftigt mich eben das Thema Nachhaltigkeit, und ich kann es nun mal überhaupt nicht einsehen, warum man hochwertige Maschinen aus Metall, die nur ein wenig Pflege oder kleinere Reparaturen benötigen, auf den Müll werfen soll, nur um sich dann eine u.U. weniger gute Plastik-Maschine zuzulegen. Bis es aber entsprechende Gesetze bezüglich Reparatur gibt (und vor allem Leute, die alte Maschinen noch reparieren!): Selbst ist der Schneider/die Schneiderin!

 

Oft sehe ich Angebote, deklariert als "defekt", bei denen das Problem lediglich die Fadenspannung ist. Natürlich braucht man etwas Verständnis für die Funktionsweise, damit man solche Reparaturen selber machen kann. Aber schon in dem Handbuch für die Singer 15-88 aus dem Jahr 1936 steht genau beschrieben, wie man die Baugruppe zur Einstellung der Fadenspannung komplett zerlegt und wieder zusammensetzt. Wenn die Leute das damals mit den spärlichen Anleitungen konnten, dann können wir das heute mit all den Video-Tutorials doch erst recht! Allerdings gibt es viel mehr Videos auf Englisch als auf Deutsch.

 

Ich möchte daher hier eine Reihe zum Thema Reparatur von alten Nähmaschinen" starten, und hoffe, dass ich damit den einen oder anderen von den Qualitäten der alten Maschinen überzeugen zu können, die da wären:

  • Die Baugruppen sind leichter zugänglich und damit leichter zu ölen, reinigen, und zu justieren. Das kann man dann selber machen, ohne die Maschine zu zerlegen! Saubere geölte Maschinen nähen um Längen besser.
  • Die Fadenbremse zu Einstellung der Oberfadenspannung liegt außerhalb, ein Feature, das ich mittlerweile sehr schätze. Auch meine modernere Kunststoff-Maschine habe ich neu justiert, was an sich nicht schwer ist (Beschreibung folgt), dafür musste ich jedoch das komplette Gehäuse zerlegen!   
  • Die Stichqualität und der Transport ist oft besser.
  • Mechanische Nähmaschinen sind robuster, sofern sie innen nicht aus Kunststoff sind. Altes Kunststoff kann brechen, das lässt sich dann gar nicht oder nur sehr schwer reparieren.
  • Die Mechanik war früher hochwertiger und leichtgängiger. Das musste sie insbesondere bei den ganz alten auch, da per Fuß betrieben. Dadurch sind die Maschinen sehr leise, auch wenn man sie mit einem Motor ausstattet. Besonders leise sind Maschinen mit Horizontalgreifer und, wie ich mir einbilde, Maschinen mit außenliegenden Motoren, da der Plastikkorpus keinen Resonanzkörper bildet.
  • Anfällig bei solchen Maschinen aus Metall sind oft eher die Motoren. Diese sind oft außen angebracht, dadurch kann dieser leicht und kostengünstig ausgetauscht werden.
  • Für Liebhabermodelle findet man immer noch viel Zubehör und Ersatzteile. 
  • Modelle aus Alu-Guss sind nicht unbedingt schwerer als neuere Kunststoffmodelle. Dadurch kann man auch Maschinen finden, die sich transportieren lassen. Wobei ein höheres Gewicht durchaus ein Vorteil sein kann, da die Maschine dann ruhiger läuft. 
  • Sie sind oft formschöner. Das ist lediglich Kür, aber durchaus ein Argument :-)

Wer sich für alte Maschinen interessiert, insbesondere für die Qualität der einzelnen Modelle, dem sei das Nähmaschinen-Verzeichnis empfohlen. Dort steht bei den gelisteten Maschinen, welche innen Plastikteile haben, und welche nicht. Es gibt optisch sagenhafte Maschinen wie die Graziella HZL-11, die Necchi Lydia oder die Necchi Super doppio, die leider nur äußerlich punkten können, sehr schade! Diese Maschinen sind wegen ihres Designs sogar in Museen zu finden. Zu dieser Zeit sank die Qualität aber schon beträchtlich. Man hat nochmal versucht, Käufer mit gutem Design zu überzeugen, aber das Ende der Nähmaschine als Standard-Haushaltsgerät war endgültig eingeläutet. Deswegen würde ich diese Maschinen, so schön sie auch sind, hier eher nicht empfehlen, zumindest nicht als erste Wahl. Diese Maschinen sind daher wirklich nur was für Sammler und weniger für den Gebrauch. Das ist nicht das, was ich im Sinn habe. Es ist also eine gute Idee, sich vor einem Kauf etwas über das angebotene Modell zu informieren. 

 

Meine neue Allzweck-Nähmaschine

Nun aber zum eigentlichen Thema dieses Artikels, der Reparatur. Das ich langfristig nicht widerstehen können würde war eh klar, nachdem ich mir meine kleine Vintage-Nähmaschine in 2/3 Größe gekauft habe. Es gibt zu viele schöne, günstige, und vor allem hochwertige  Maschinchen, die neue Besitzer suchen... Tatsächlich muss ich wirklich sagen, dass ich schwer begeistert bin von manchen der alten Nähmaschinen, und wie toll die nähen im Vergleich zu meiner mittelpreisigen modernen Maschine.  Tja, so schnell kommt man zu einem neuen Hobby! 

 

Los geht es bei mir mit dieser schönen Maschine aus Alu-Guss: Eine Privileg 710. Diese Maschine wurde in Deutschland über Quelle vertrieben, hergestellt hat sie jedoch das japanische Unternehmen Maruzen Jaguar. Ich habe sie für sagenhafte 13 Euro erworben. Da das Gehäuse komplett aus Aluminium ist, wiegt sie nur etwas über 6 Kilo und ist damit leichter als meine modernere Kunststoffmaschine.  Lediglich das Kästchen vorn, der Klapptisch und das Handrad sind aus Kunststoff. Das war auch mein Grund, weswegen ich sie gekauft habe, denn ich suchte eine Allzweck-Maschine zum Mitnehmen, die ich in Kursen benutzen kann und die leicht genug für den öffentlichen Nahverkehr ist.

 Lediglich der Klapptisch an der Seite fehlte, was man notfalls verschmerzen könnte. Außerdem klemmt der Hebel zum versenken des Transporteurs. Auch der Drehknopf zum Einstellen des Stichmusters klemmte etwas, das ließ sich jedoch durch Ölen sofort beheben. Was ich gemacht habe, um diesen schönen Jaguar wieder flott zu kriegen (und wie!), zeige ich Euch hier.

 

Der Klapptisch

Den fehlenden Tisch habe ich gebraucht ersteigern können, wenn auch in der Farbe des Nachfolgemodells 720. Da der Drehknopf jedoch einen Ring in der gleichen Farbe trägt, ist das ok für meinen inneren Ästheten. Diesen anzuschrauben ist nicht schwer, ich zeige es Euch dennoch, denn ich glaube, zu wissen, warum dieser leicht abbrechen kann und deswegen manchmal bei diesem Modell fehlt.

  

 

Hier seht ihr die linke Seite der Maschine, wo ursprünglich ein orangener Klapptisch angeschraubt war. Der Tisch besteht aus einer Plastikklappe plus Metallscharnier, welches über die oberen zwei, nebeneinander liegenden Schraublöchern befestigt wird.

 

Außerdem gibt es noch einen einklappbaren Träger, um die Klappe zu stabilisieren. Diese wird über die unteren zwei Schraublöcher befestigt.

Hier seht Ihr die Klappe mit Scharnier von unten, sowie den Träger. Das Scharnier ist leider nur angeklebt (die drei Punkte in den Ecken des dreieckigen Scharniers), weshalb dies auch eine Schwachstelle der ganzen Konstruktion ist. Sollte dieser Tisch einmal abbrechen, so müsste man ihn mit Zweikomponentenkleber wieder ankleben.

 

Der Träger hat eine Feder, so dass sich dieser bei Anhebung der Klappe von alleine ausklappen soll. Das ist auch nochmal in den nächsten beiden Bildern zu sehen. Leider gibt es auch dabei eine Schwachstelle, was aber nur dann ein Problem ist, wenn man es nicht weiß.

Die korrekte Position des Trägers ist rechts. Bei Anhebung der Klappe bewegt sich der Träger aufgrund der Federspannung nach links, bis der Träger auf den Stopper in der Mitte der Klappe trifft (hier gelb umrandet).

 

Bei aufgeklapptem Tisch steht der Träger also im rechten Winkel zur Maschine und unterstützt so den Tisch von oben.

 

Drückt man nun von oben auf die Tischplatte, so bewegt sich der Träger wieder nach rechts. 

 

Ein Problem entsteht, wenn man die Tischplatte zu weit anhebt. Dann spring der Träger über den zugegebenermaßen nicht besonders üppig gestalteten Stopper hinweg nach links. Der Stopper ist zu klein für die recht kräftige Feder.

 

Drückt man nun von oben auf den Tisch, so kann sich der Träger nicht nach rechts bewegen, der Tisch kann abbrechen.

 

Daher immer darauf achten, den Tisch nicht zu sehr anzuheben und notfalls den Träger wieder in die richtige Position bringen. 

Den Mechanismus zum Versenken des Transporteurs wieder in Gang bringen

Den Transporteur versenkt man ja üblicherweise nur beim Stopfen oder Sticken, diese Funktion wurde wohl nur selten bei dieser Maschine genutzt. Als ich die Maschine auspackte, ließ sich der Hebel zum Versenken des Transporteurs gar nicht bewegen. Etwas Öl auf den Mechanismus ließ mich zumindest den Hebel wieder bewegen.

 

Achtung, nicht den Kunststoffhebel ölen, nicht jedes Plastik verträgt Nähmaschinenöl! Zumal es meistens nicht der Hebel selber ist, der klemmt, sondern die Mechanik unten. 

 

Leider blieb der Transporteur weiterhin oben und bewegte sich weiterhin, wenn ich am Handrad drehte. Das liegt meistens daran, dass die Teile durch altes Öl und zu langem Nicht-Bewegen miteinander verbacken sind.

Hier seht ihr den Mechanismus, wenn der Transporteur arbeiten soll, der Hebel ist also oben.

 

Das, was hier wie eine Patrone aussieht, sorgt für eine Verbindung des Transporteurs mit der Kurbelwelle. 

 

Dreht man am Handrad, bewegt sich sowohl der CB-Greifer (der den Oberfaden um den Unterfaden schlingt) als auch der Transporteur (der den Stoff bewegt).

Hier seht ihr das gleich Teil bei gesenktem Hebel. Das Verbindungsstück (die "Patrone") ist zurückgezogen. 

 

Theoretisch sollte sich nun der Transporteur nicht mehr bewegen. Wenn aber durch den langen Stillstand und durch altes, minderwertiges und/oder verharztes Öl die Teile verklebt sind, reicht die Reibung und der Transporteur wird dennoch mit bewegt.

 

Da hilft nur Ölen, Ölen, Ölen, und zwar an allen Stellen, die aufeinander reiben. Dabei immer wieder bei gesenktem Hebel am Handrad drehen, gleichzeitig den Transporteur festhalten.

So sollte das dann aussehen, der Transporteur wird nicht mehr mit bewegt und die Kurbelwelle treibt nur noch den CB-Greifer an.

 

Noch ist es nicht wieder 100% so, wie es sein sollte, aber das kommt noch. Da muss man einfach ein wenig Geduld haben.

 

Man kann auch sogenanntes Kriechöl verwenden, das, wie der Name schon sagt, in alle noch so kleinen Zwischenräume kriecht und altes Öl löst.

 

Auch Wärme kann helfen, jedoch habe ich das nicht ausprobiert, da zu viel Hitze den Lack beschädigen kann.

Übrigens wurde diese Art, den Transporteur zu versenken, schon bei dieser Singer 15-88 von 1936 ähnlich gebaut. Hier ist es allerdings eine simple Schraube, die man manuell zurückdrehen muss. Es gab also noch keinen Hebel dafür, das Prinzip ist jedoch dasselbe. Auch hier müssen die Teile noch voneinander getrennt werden. Diese Maschine stand ja auch vermutlich noch länger ungenutzt herum...

Was die Beurteilung betrifft, kann ich mich der Einschätzung des Nähmaschinen-Verzeichnis nur anschließen, auch wenn ich natürlich eher nach der Bedienung und der Stichqualität beurteile. Sie schnurrt leise, verursacht am Anfang des Nähguts keine Probleme, macht sehr schöne Zier- und Geradstiche, kann einfache Knopflöcher und ist aus robustem Metall, was will man mehr von einer einfachen Haushaltsnähmaschine. Laut Anleitung kann sie sogar dünneres Leder nähen. Ich bin sehr begeistert, das einzige, was ich vielleicht bemängeln könnte wären diese Punkte:

  • Der Klapptisch scheint eine Schwachstelle zu sein, der fehlte bei mehreren Maschinen, die ich gesehen habe. Man könnte ihn aber leicht durch Sperrholz ersetzen, wenn es primär nicht um den Originalzustand, sondern um Funktion geht.  
  • Er hat einen CB-Greifer. Wenn ich, egal mit welcher Maschine mit CB-Greifer, richtig schnell nähe, dann fängt aufgrund der oszillierenden Bewegung der Tisch an zu vibrieren. Das kann das Stichbild stören und sogar die Maschinen verstellen.
  • Es ist keine Freiarm-Maschine, das finde ich persönlich aber nicht so tragisch, weil ich keine Kinderkleidung nähe. Für Hosen ist das für mich kein Problem, beim Nähen zu krempeln. Das Nachfolgemodell 940 hat einen Freiarm, dafür mehr Plastikteile.

Ansonsten: Top! Ich werde sie behalten, noch etwas putzen und kosmetisch aufmöbeln, und auf jeden Fall nutzen, wenn ich z.B. zu Kursen fahre. Auch die Zierstiche überzeugen mich diesmal, auf meiner alten Maschine wurden diese nie so schön. Man findet diese Maschine öfters für 50-70 Euro, was sie durchaus wert sein kann. Wenn ihr das Glück habt, sie so günstig zu finden wie ich, solltet ihr darüber nachdenken, zuzuschlagen :-) Besonders, wenn Ihr auch anfangen wollt, Eure Maschine selber zu warten. Bei 10-20 Euro ist nicht so schlimm, etwas kaputt zu machen, wobei das nicht sehr wahrscheinlich bei so robusten Maschinen ist. Traut Euch, es macht Spaß!

 

 Ich hoffe, es hat Euch auch so viel Spaß  wie mir gemacht, da mal reinzuschauen!

 

Viele Grüße,

 

 

Eure Anne Sophie

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