Hallo Ihr Lieben,
Ich habe es ja bereits mal angesprochen, dass ich mittlerweile kein sooo großer Freund von Overlock-Maschinen bin, und mich mehr und mehr in Richtung Maßschneiderei/Couture-Nähen bewege, also viel mit der Hand nähe. Das hat weniger was mit Snobismus als mit einer bestimmten Art von Faulheit zu tun: Aus Platzgründen ist meine Ovi nicht dauerhaft aufgebaut, also müsste erst mal eine Fläche freigeräumt werden (schwierig momentan), drei Fäden in der passenden Farbe aufgefädelt werden (ächz), die Fadenspannung für den jeweiligen Stoff justiert (bäh), und am Ende dann die ganzen fusseligen Abschnitte, die auf den Boden gefallen sind, aufgeräumt werden (nochmal bäh). Und dann das Ganze wieder wegräumen. Da sitze ich mittlerweile lieber gemütlich im Sessel oder auf dem Balkon und nähe von Hand.
Ich hatte aber noch ein paar Meter French Terry hier herumliegen, und auf meiner Liste der benötigten Kleidungsstücke steht unter anderem Laufkleidung. Daher wollte ich herausfinden, ob Jersey und ich nicht doch noch Freunde werden (Spoiler: werden wir nicht, naja, vielleicht ein bisschen), und dabei mal probieren, ob das nicht auch ganz ohne Overlock geht.
Keine Frage, es gibt Anwendungsfälle, da sind Overlock bzw. Coverlock-Maschinen unschlagbar. Dazu gehören Jersey und Strickwaren und damit eben auch Sportkleidung. Und Leggins sind sicherlich komfortabler, wenn sie eine schön glatte Covernaht haben. Ich will hier auch gar nicht erst behaupten, dass man Alles ohne Ovi/Cover nähen kann. Also, können kann man das vielleicht schon, aber das Ergebnis wäre sicherlich nicht so ganz zufriedenstellend :-)
Aber bestimmte Formen von Laufsachen, das sollte doch drin sein? Eure Vintage-Maschine sollte aber zumindest einen Zickzack-Stich haben, eine reine Geradstich-Maschine ist m.E.n. nicht geeignet. Auch sollte die Maschine über einen guten Transport verfügen.
Und deshalb.... (drumroll...) habe ich mir Laufshorts designt, die man nur mit einer Zickzackmaschine nähen kann. Die Shorts gibt es in zwei Varianten, beide kommen noch diese Woche als Valentina-Datei heraus, wie immer in meinem Shop.
Mit Valentina könnt Ihr Euch das Schnittmuster an Eure persönlichen Maße anpassen, ein echter Maßschnitt also! Auch die Länge oder die Weite kann natürlich an Euren Geschmack angepasst werden.

Herausforderung 1: Elastische Nähte
Nicht jede Naht bei einem Kleidungsstück aus Jersey muss gleichermaßen elastisch sein, bei manchen tut es demnach auch der normale Geradstich. Ich achte aber darauf, diesen nicht zu klein zu wählen. Auch habe ich bei meiner Maschine, die eine sehr guten Transport hat, gute Erfahrung damit gemacht, den Fußdruck zu reduzieren und lieber etwas mehr von Hand zu führen (gleichmäßig mit beiden Händen vor UND hinter dem Fuß!). Das vermeidet eine ausgeleierte gewellte Naht. Wenn es dann aber elastisch sein muss:
Sehr schmaler Zickzackstich
In der Uralt-Anleitung zu meiner Singer-Nähmaschine aus dem 19. Jhd (?) wird empfohlen, Jersey mit einem sehr schmalen Zickzack-Stich zu nähen, also die Stichbreite sehr klein zu halten, die Stichlänge etwas größer. Das produziert eine nahezu gerade, minimal gezackte Naht, die von außen gerade erscheint, die aber dennoch elastisch ist. Super Sache! Von Außen sieht das insbesondere bei French Terry o.ä. wirklich genauso wie eine "normale" Naht aus, ist aber elastisch. Umso schmaler der Zickzack, umso weniger elastischer ist er natürlich. Auch hier kann man etwas herumprobieren mit Stichlänge und -Breite. Fazit: für Sachen, die nicht extrem elastisch sein müssen, sondern nur ein Bisschen (also jetzt nicht das hautenge Lycra-Kleid ;-) ) ist das eine prima Alternative.
Damit Ihr etwas sehen könnt, hier einmal auf Batist, die Breite des Zickzacks ist minimal. Von außen kann man sehen, dass die Naht nicht ganz gerade sondern leicht gewellt ist. Unten dann das Endresultat auf Jersey, dort sieht es sehr schön aus, wie ich finde.

Elastisches Nähgarn verwenden (?)
Von mir nicht getestet, deshalb mit einem Fragezeichen versehen. Wie gut Vintage-Maschinen elastisches Nähgarn verarbeiten können, weiß ich nicht mit Sicherheit, da ich versuche, auf Kunstfaser zu verzichten. Ich denke aber, dass das gut funktionieren könnte, da meine Vintage-Maschinen eher robuster sind, was das Nähgarn betrifft. Ausprobieren! Aber ich wollte es in dieser Sammlung zumindest nicht unerwähnt lassen.
Herausforderung 2: Versäubern
Normaler Jersey oder auch Interlock franst kaum, so dass man sich das Versäubern angeblich sparen kann. Ich bin davon allerdings kein großer Fan, denn ich mag Kleidung, die auch von innen schön aussieht. Außerdem fusselt so mancher French Terry und ganz besonders Nicky wie Hulle, da ist Versäubern ein Muss.
Normaler Zickzack-Stich
Hier wähle ich üblicherweise eine große Stichbreite und eine eher kurze Stichlänge - je fransiger der Stoff, desto kürzer! Dauert eine bisschen, und auch hier gilt: Nicht zu stark am Stoff ziehen, sonst gibts Wellen. Anschließend die Nahtzugabe knapp neben der Zickzacknaht zurückschneiden.
Mit Webband abdecken
Wenn es besonders schön werden soll, z.B. beim Inneren einer Kapuze, könnt ihr die Nahtzugaben auch mit Webband abdecken, dann habt ihr allerdings von außen eine sichtbare Naht. Es sei denn, ihr näht das Band von Hand an, dazu ein andermal mehr. Diese Naht ist durch das Webband nicht mehr elastisch.
Du kannst
- Die Nahtzugaben flach zu unterschiedliche Seiten stecken, mit einem breiten Nahtband abdecken und dieses an den beiden Kanten mit zwei parallel verlaufenden Geradstich-Nähten festnähen, so wird es schön flach.
- Eine schmaleres Nahtband auf die Nahtzugaben stecken (Nahtzugaben ggf. zurückschneiden) und festnähen. Das Nahtband zu einer Seite klappen, so dass die Nahtzugaben abgedeckt sind, und feststeppen. Etwas dicker und nicht mehr mittig über der Naht, dafür schön schmal und mit nur einer sichtbaren Naht außen.
Herausforderung 3: Elastisch Säumen
Einfassen
Bei meinen Sportshorts habe ich die untere Kante mit dem gleichen, aber kontrastfarbigen Jersey eingefasst. Ich persönlich finde das etwas kniffliger als das Einfassen mit Schrägband, da Jersey die den Falz nicht gut hält. Ich habe mir daher das Einbügeln gespart, da das bei meinem Stoff fast nichts gebracht hat. Statt dessen mache ich das so:
Das Band mit minimalem Zug rechts auf rechts auf die Schnittkante stecken. Die Menge Zug hängt vom Stoff ab. Zu viel, und die Kante rollt sich ein, zu wenig, und es gibt Wellen. Da bekommst Du aber schnell ein Gefühl dafür, was richtig ist. Ich habe mit einer Breite von 4-4,5 cm für das Einfassband gute Erfahrung gemacht, je nach Dicke des Stoffs.
Mit sehr schmalem Zickzack-Stich (s.o.) festnähen, Nahtzugaben auf 0,5 cm zurückschneiden (wichtig!). Den Streifen nach innen wenden und einschlagen. Bei kurzen Abschnitten feststecken. Bei langen Strecken wie bei meinen Shorts lohnt sich heften sehr, zu leicht rutscht sonst die Nahtzugabe auf der Unterseite heraus. Insbesondere auch deshalb, weil ich auch hier einen geringen Fußdruck wähle. Dann nochmal von oben knapp neben der ersten Naht oder im Nahtschatten mit sehr schmalem Zickzack absteppen.
PS: Ich beziehe mich hierbei auf Säume, die noch etwas elastisch sein sollen. Wenn die Kante nicht elastisch sein muss, könnt ihr natürlich jeden beliebigen Stoff zum einfassen nehmen.

Paspelieren / Mini-Bündchen
Hierfür wird das Band gefaltet und mit den Schnittkanten zur Saumkante gesteckt. Bei geraden Säumen geschieht das ohne Zug. Bei Einbuchtungen muss das Band minimal straffer gehalten werden. Jetzt mit sehr schmalem Zickzackstich festnähen. Beide Nahtzugaben zusammen versäubern. Wenden und bei Bedarf bügeln. Von oben nochmal knapp neben der ersten Naht feststeppen.
Da hier drei Nähte gearbeitet werden, ist dieser Saum etwas weniger elastisch als der eingefasste Saum. Auch hat man innen sichtbare Schnittkanten. Dafür liegt diese Variante etwas flacher als der eingefasste Saum.

Doppelt oder einfach einschlagen und absteppen
Eingeschlagene Säume können wie andere Nähte auch prima mit dem sehr schmalem Zickzackstich (s.o.) gesteppt werden. Man muss schon sehr nah herangehen, um zu sehen, dass die Naht nicht ganz gerade ist.

Mit der Zwillingsnadel nähen
Das ist der Klassiker für Haushaltsnähmaschinen und wurde schon so oft beschrieben, deswegen gehe ich hier nicht in epischer Breite darauf ein. Wichtig zu wissen ist, dass diese Nadeln nicht auf alle Maschinen passen, das solltet ihr vorher vorsichtig (!) ausprobieren, am besten mit dem Handrad. Nähnadeln können brechen, wenn sie mit voller Wucht auf die Stichplatte treffen, und dann Teile durch die Luft fliegen, passt also auf Eure Augen auf.
- Die Öffnung in der Stichplatte muss breit genug sein
- Die Öffnung im Füßchen muss breit genug sein
- Man braucht eine 2. Halterung für eine weitere Garnrolle
Ich bin, muss ich gestehen, kein allzu großer Freund von der Zwillingsnadel. Ich finde den gängigen Abstand 2,5 optisch zu klein, breitere Nadeln sind zumindest bei mir im Handel oft nicht zu finden. Außerdem zieht die Naht bei breiterem Nadelabstand schon mal zusammen, und das ewige Verstellen der Fadenspannung finde ich auch nicht so prickelnd...
Ich habe probiert, ob man die Zwillingsnadel auch zum Nähen und gleichzeitigem Versäubern in einem für andere Nähte außer dem Saum nehmen kann. Und? Ja, aber...
Die Naht wird schön elastisch, das auf jeden Fall, aber bei Dehnung ist die Naht auf der rechten Seite eindeutig zu sehen. Auch wenn ich hier natürlich einen kontrastfarbigen Faden genommen habe, zwecks besseren Fotos, so finde ich die Naht mit dem schmalen Zickzackstich doch deutlich besser.
Fazit: Meine Favoriten beim Nähen von Jersey mit einer Vintage-Maschine
Ganz klar, mein Favorit zum Nähen von Seitennähten usw. ist der schmale Zickzackstich. Den finde ich auch zum Absteppen von eingeschlagenen Säumen prima, noch schöner als Saum- bzw. Kantenabschluss finde ich jedoch das Mini-Bündchen (Paspelierung). Bei Pullover-Säumen kann man das natürlich auch breiter, also als echtes Bündchen arbeiten. Wenn es noch elastischer werden soll, dann werde ich künftig aufs Absteppen verzichten.
Euch noch einen schönen Abend,
Eure Anne Sophie
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